Dürre Pferde
Früher hat man die Bauernhöfe in drei Gruppen geteilt: Die Pferdebauern, die Kuhbauern und die Geißbauern. An den Pferden konnte man erkennen, ob es ein großer Bauer war. Die Geißbauern waren eher die Geringen.
Buisch Äepp aus Fraurombach war ein großer Pferdenarr. Die meisten Bauern im Schlitzerland hatten schwere Kaltblüter, Äepp dagegen hatte leichte Hannoveraner. Die konnte man auch zum Reiten nehmen. Wenn er Mist auf den steilen Rotacker gefahren hat, musste er entweder drei- oder vierspännig fahren. Oben angekommen, wurde dann umgespannt und zwei Pferde wurden zum Mistbreiten gebraucht und zwei wurden wieder heimgeschickt. Die sind alleine heimgelaufen und wenn sie daheim angekommen sind, dann gab es eine extra Handvoll Hafer und sie wurden gleich abgerieben. Dann erst konnte der Bauer sich an den Tisch setzen.
Dass die Pferde manchmal mehr zählten als die Menschen, drückt eine Redensart aus: Weiber sterben – kein Verderben, Pferde verrecken – das sind Schrecken!
Zum Schluss noch eine Geschichte aus Queck: Ein Quecker Bauer hat mit seinem Gespann Kartoffeln nach Schlitz gefahren. Auf dem Heimweg nimmt er einen Fußgänger mit auf seinem Wagen. Sie sind ein Stück gefahren, da sagt der Fußgänger zu dem Bauern: „Ich glaube, du hast dürre Pferde.“ „Was?“, sagt der Bauer, „dürre Pferde? Runter vom Wagen! Es wird gelaufen!“
Ein bisschen komisch
So manches Mal ist mir ein bisschen komisch.
Und ich denke, dass ich gar nicht ich wäre.
Ich sehe mich im Spiegel an und frage mich dann:
Wer bin ich denn?
Komisch, dass ich der geworden bin, der ich bin.
Und nicht Nachbars Schorsch.
Oder andere Leute.
Was wäre, wenn der ich wäre?
Komische Gedanken, oder?
Aber es hätte ja noch viel schlechter kommen können.
Ich wäre ein Hund geworden.
Oder Nachbars Katze.
Oder eins von unseren Hühnern.
Oder wenn es mich nicht geben würde?
Oder wenn ich tot wäre?
Was würden dann die anderen Leute sagen?
Das wäre dann schon ein bisschen komisch, oder?
Regenwetter
Wenn es zur richtigen Zeit regnet, dann freut sich der Bauer. Ohne Regen ist seine Arbeit umsonst. Und weil Regen nicht gleich Regen ist, gibt es im Schlitzerland gleich sieben Sorten. Es nieselt, es fusselt, es drebbelt, es raänt. Es gesst, es schitt und es traätscht. Wenn es nur nieselt, fusselt oder drebbelt, da kann man noch rausgehen. Wenn es aber raänt, gesst, schitt oder traätscht, da geht man unter Dach. Wir Kinder sind im Sommer gerne im Regen rumgelaufen und meine Oma hat dann immer gerufen: „Die Bengel, die kommen erst rein, wenn es Backsteine regnet.“
In dem neuen Buch von den Stockhäuser Plattschwaätzern, da steht ein schönes Gedicht:
Wenn es regnet, gehen wir hin.
Wenn es nicht regnet, bleiben wir da.
Wenn es nicht regnet und wir haben keine Lust,
dann gehen wir auch heim.
Regnet es, brauchen wir nicht dazubleiben.
Gingen wir heim und wüssten nicht,
was wir machen sollten,
dann könnten wir auch gleich dableiben.
Aber nur, wenn es nicht regnet.
Die Wiege
Die Wiege in der Schlafstube. Manchmal stehe ich vor der Kinderwiege und denke: Wer hat da wohl alles drin gelegen? Was hat man mit diesen Kindern gebetet und was für Lieder gesungen, damit sie einschliefen? Die Wiege konnte man ganz leicht hin und her bewegen und bald sind dem Kind die Augen zugefallen.
Im Schlitzerland hat sich bis heute ein schönes Schlaflied gehalten: Suse, suse, suse, Hemmen, Hartershausen, Lüdermünd liegt nah dabei, soll mein Kind ein Schläferchen sein.
Übrigens:
Dieses volkstümliche Lied, das man wohl in fast jeder Familie mit einer anderen Melodie singt, hat von Hans Steinacker noch zwei weitere Strophen bekommen. Wie gut, dass sich im Schlitzerland so viele Dörfer auf Suse reimen… Hier ist noch einmal der komplette Text nachzulesen:
Suse, suse, suse,
Häimme, Hoeddeschuse,
Liedermeng läjt noeh debäj,
soll mi Kengche e Schläfferche säj.
Suse, suse, suse,
Poedt onn Elleschuse,
Romich läjt net wiet devo
macht mi Kengche dee Eiwerchen zo.
Suse, suse, suse,
Hotzdorf onn Bäinnzuse,
Schlitz läjt immer medde denn,
Äingelchen mi Kengche krenn.
Und auf Hochdeutsch:
Suse, suse, suse,
Hemmen, Hartershausen,
Lüdermünd liegt nah dabei,
Soll mein Kindchen ein Schläferchen sein.
Suse, suse, suse,
Pfordt und Üllershausen,
Fraurombach liegt nicht weit davon,
macht mein Kindchen die Äuglein zu.
Suse, suse, suse,
Hutzdorf und Bernshausen,
Schlitz liegt immer mitten drin,
Engelchen mein Kindlein kriegen.